Samstag, 20. April 2024

Cannabiskonsum und Führerschein: Welche Veränderungen bringt das neue Cannabisgesetz?

In Bezug auf den Cannabiskonsum ist ein Bewusstseinswandel in Gesellschaft und Politik zu verzeichnen, der inzwischen auch zu einer Neubewertung des Cannabiskonsums durch den Gesetzgeber geführt hat. Am 01.04.24 ist das neue Cannabisgesetz (CanG) in Kraft getreten, das den Besitz von Cannabis legalisiert. Mit dem Cannabisgesetz wurden auch in Bezug auf das Fahrerlaubnisrecht, d.h. die Fahrerlaubnisverordnung (FeV), Veränderungen vorgenommen. So wurde mit § 13 a (Klärung von Eignungszweifeln bei Cannabisproblematik) ein neuer Paragraf in die FeV eingefügt, der speziell die Regelung der „Cannabisproblematik“ zum Inhalt hat. Die wichtigste Änderung ist wohl darin zu sehen, dass gemäß § 13 a FeV ein medizinisch-psychologisches Gutachten (MPU) erst dann zu fordern ist, wenn wiederholt Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Cannabiseinfluss (wie z.B. das Führen eines Kraftfahrzeugs unter Cannabiseinfluss) begangen wurden. Mit dem Cannabisgesetz (CanG) vom 01.04.24 ist auch die Neuregelung durch § 13 a FeV in Kraft getreten. Im Zusammenhang mit dem neuen Cannabisgesetz soll auch der Tatbestand des Fahrens unter Cannabiseinfluss durch einen neuen THC-Grenzwert neu definiert werden. Inzwischen hat die zuständige interdisziplinäre Arbeitsgruppe im Bundesverkehrsministerium (mit Expertinnen und Experten aus Medizin, Recht, Verkehr und Polizei) ihren Vorschlag für einen neuen THC-Grenzwert vorgestellt (3,5 Nanogramm THC pro Milliliter Blutserum). In der Vergangenheit war nicht nur von Betroffenen, sondern auch von Fachleuten immer wieder kritisiert worden, dass der bislang geltende Grenzwert von 1,0 Nanogramm THC (pro Milliliter Blutserum) viel zu niedrig angesetzt ist, was bis heute dazu führen kann, dass auch THC-Konsumenten, die nicht unter akutem Cannabiseinfluss Auto gefahren sind, mit einem Bußgeldbescheid wegen Fahrens unter Drogeneinfluss bestraft werden. Bis zur gesetzlichen Festlegung des neuen Grenzwerts gilt allerdings weiterhin der überholte Grenzwert von 1,0 Nanogramm THC! Zum neuen Grenzwert-Vorschlag von 3,5 Nanogramm, der jetzt noch das Gesetzgebungsverfahren durchlaufen muss, schreibt das Bundesministerium für Digitales und Verkehr auf seiner Homepage, dass dieser Wert noch deutlich unterhalb der Schwelle liegt, ab der ein allgemeines Unfallrisiko beginnt. Durch ein Gesetz, das den neuen Grenzwert von 3,5 Nanogramm THC festschreibt, soll der bislang geltende (zu niedrige) Grenzwert von 1,0 Nanogramm (pro Milliliter Blutserum) korrigiert werden, um sicherzustellen, dass nicht der Cannabiskonsum per se, sondern tatsächlich nur das Fahren unter akutem Cannabiseinfluss bestraft wird. Wie Bundesverkehrsminister Wissing betonte, geht es auch darum zu verhindern, dass das neue Cannabisgesetz durch die Hintertür des Straßenverkehrsrechts ausgehöhlt wird. Doch was bedeuten die neuen Regelungen in der Praxis? Sollte der neue Grenzwert tatsächlich Gesetz werden, bedeutet dies, dass zahlreiche Fälle, die heute noch als Fahren unter Cannabiseinfluss verfolgt werden, den gesetzlichen Tatbestand des Fahrens unter Cannabiseinfluss dann nicht mehr erfüllen und deshalb auch nicht mehr per Bußgeldbescheid geahndet werden können. Der neue § 13 a der Fahrerlaubnisverordnung bietet Betroffenen, die erstmals mit Cannabis im Straßenverkehr auffällig geworden sind, gute Ansatzpunkte, um gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Nicht-Vorlage des medizinisch-psychologischen Gutachtens rechtlich vorzugehen. Noch ist allerdings weitgehend unklar, wie die Führerscheinstellen den neuen § 13 a FeV in der Praxis auslegen und anwenden werden. Erstmals auffällige Gelegenheitskonsumenten haben sicherlich gute Chancen, sich mit rechtlichen Argumenten gegen die MPU-Anordnung zu wehren oder eine Entziehung der Fahrerlaubnis ggf. rechtlich anzugreifen! Der Terminus des „regelmäßigen Cannabiskonsums“ wurde aus der Anlage 4 (zu den §§ 11, 13 und 14 FeV) entfernt. Es bleibt jedoch abzuwarten, wie die Führerscheinstellen zukünftig mit THC-COOH-Werten > 75 Nanogramm (pro Milliliter Blutserum), die nach der bislang geltenden Daldrup-Regel den regelmäßigen (d.h. täglichen oder fast täglichen) Cannabiskonsum beweisen, umgehen werden. Auch wenn der (fast) tägliche Cannabiskonsum aus psychologischer Sicht als Hinweis auf Missbrauch oder gar Abhängigkeit von Cannabis interpretiert werden kann, ist die Gleichsetzung des regelmäßigen Konsums mit einem missbräuchlichen oder gar abhängigen Konsum zumindest aus der juristischen Perspektive fragwürdig. Wenn Sie als „Ersttäter“ persönlich von einer MPU-Anordnung betroffen sind, sollten Sie sich auf jeden Fall von einem auf das Verkehrsrecht spezialisierten Rechtsanwalt beraten lassen und das geforderte medizinisch-psychologische Gutachten ggf. verweigern! Keinesfalls sollten Sie "freiwillig" auf den Führerschein verzichten, denn durch den "freiwilligen Verzicht" auf die Fahrerlaubnis verschließen Sie sich selbst den Rechtsweg! Doch auch wenn der Führerschein schon weg ist (Entzug oder freiwilliger Verzicht), sind meines Erachtens die Aussichten nicht schlecht, dass Sie von der Neuregelung durch § 13 a FeV profitieren können und es zu einer Neuerteilung der Fahrerlaubnis ohne MPU kommt! Wenn Sie erstmals unter Cannabiseinfluss gefahren sind (und nicht noch weitere Verkehrsdelikte begangen haben), können Sie einen Antrag auf Neuerteilung der Fahrerlaubnis bei der zuständigen Führerscheinstelle stellen! Wenn die Führerscheinstelle daraufhin (entsprechend der alten Rechtslage) eine MPU anordnet (anstatt Ihren Antrag ohne MPU-Auflage zu bewilligen), bleibt Ihnen immer noch die Möglichkeit, die MPU zu verweigern. (Die MPU-Anordnung selbst ist nicht rechtsmittelfähig). Die Führerscheinstelle wird dann Ihren Antrag auf Neuerteilung der Fahrerlaubnis höchstwahrscheinlich wegen Nicht-Vorlage des medizinisch-psychologischen Gutachtens ablehnen. Gegen den Ablehnungsbescheid der Führerscheinstelle können Sie dann aber unter Berufung auf § 13 a FeV ("Ersttäter") Rechtsmittel (Widerspruch, Klage) einlegen. Die Erfolgsaussichten sollten vor allem dann gut sein, wenn durch den THC-COOH-Wert der "Drogenfahrt" dokumentiert ist, dass Sie nur gelegentlich Cannabis konsumiert haben, so dass Ihnen die Führerscheinstelle keinesfalls "Missbrauch" oder gar "Abhängigkeit" unterstellen kann. Robert Bischoff (zuletzt bearbeitet am 21.04.24)

Sonntag, 7. Januar 2024

Abstinenznachweise im Rahmen der MPU-Vorbereitung

von Robert Bischoff


Für eine erfolgreiche Teilnahme an der Medizinisch-Psychologischen Untersuchung (MPU) ist es in der Regel nötig, dass der alkohol- bzw. drogenauffällige Kraftfahrer seine Alkohol- und/oder Drogenfreiheit (Abstinenz) nicht erst zum Zeitpunkt der MPU, sondern bereits über einen ausreichend langen Zeitraum vor der MPU nachweisen kann. In Bezug auf den in Ihrem individuellen Fall erforderlichen Zeitraum des Abstinenznachweises sollten Sie sich in jedem Fall fachkundig beraten lassen (MPU-Vorbereitung)!
Neben dem Abstinenznachweis ist die Inanspruchnahme fachlicher Hilfe zur Vorbereitung auf die MPU dringend anzuraten (Alkohol- bzw. Drogenberatungsstelle, Psychotherapeut, Verkehrspsychologe oder andere fachlich qualifizierte Intervention)!

Abstinenznachweise bei Alkohol

Der Nachweis der Alkoholabstinenz kann durch die Teilnahme an einem EtG-Kontrollprogramm oder Haarproben erbracht werden.

Ethylglucuronid (EtG) ist ein Stoffwechselprodukt, das beim Alkoholabbau im menschlichen Körper entsteht. Der Nachweis von EtG in Urin oder Haaren lässt ab einem bestimmten Schwellenwert auf Alkoholkonsum schließen. Umgekehrt können Sie durch die Teilnahme an einem EtG-Kontrollprogramm mit Urinkontrollen (alternativ: Haarproben) ihre Alkoholabstinenz belegen. Das EtG-Kontrollprogramm kann für 6 Monate (4 Urinkontrollen) oder 12 Monate (6 Urinkontrollen) in Auftrag gegeben werden. In der Regel können auch andere Zeiträume vereinbart werden. Mit einer Haaranalyse können Sie Ihre Alkoholabstinenz für die zurückliegenden 3 Monate belegen.

Erhöhte Leberwerte können einen Hinweis auf Alkoholmissbrauch darstellen. Ein Abstinenznachweis ist durch die Erhebung von Leberwerten (Gamma-GT, GOT, GPT, MCV, evtl. CDT) nicht zu erbringen!

Abstinenznachweise bei illegalen Drogen

Der Nachweis der Drogenabstinenz kann durch die Teilnahme an einem Drogenkontrollprogramm (Urinkontrollen) oder eine Haaranalyse (1 cm = 1 Monat) erbracht werden. Dabei muss es sich grundsätzlich um ein polytoxikologisches Screening handeln.

Getestet wird auf

  • Cannabinoide
  • Morphin (Heroin, Codein etc.)
  • Methadon
  • Amphetamine incl. Ecstasy
  • Kokain
  • Benzodiazepine

Je nach Vorgeschichte müssen weitere Substanzen getestet werden! So muss z.B. bei einer „Opiatvorgeschichte“ zusätzlich auf Tramadol, Tilidin und Buprenorphin (Subutex, Suboxone) getestet werden (Zusatzstoffe).

Mit einer Haaranalyse kann die Abstinenz von illegalen Drogen für einen Zeitraum von bis zu 6 Monaten (Alkohol: höchstens 3 Monate) belegt werden. So kann z.B. eine einjährige Drogenabstinenz mit zwei Haarproben a 6 cm dokumentiert werden. Allerdings dürfen die Haare nicht chemisch behandelt worden sein.

Nach den Beurteilungskriterien der MPU-Gutachter (BK 4: Beurteilungskriterien, 4. Auflage - siehe Literatur) sind an Drogenkontrollprogramme bestimmte Qualitätsanforderungen entsprechend den Chemisch-Toxikologischen Untersuchungskriterien (sog. CTU-Kriterien) zu stellen:

  1. Die Urinkontrollen müssen kurzfristig und unvorhersehbar anberaumt werden. Zwischen Einbestellung und Urinkontrolle sollten nicht mehr als 24 Stunden liegen.
  2. Der Urin muss unter Aufsicht (Sichtkontrolle) abgegeben werden.
  3. Die zu testende Person muss sich ausweisen (Identitätskontrolle).
  4. Der Urin muss durch ein für forensische Zwecke akkreditiertes Labor untersucht werden.
  5. Das Labor muss sich an den verbindlichen Norm- und Cut-off-Werten orientieren.
  6. Der Kontrollzeitraum ist von vornherein definiert. Einzeltests werden in der Regel nicht akzeptiert.

Abstinenznachweise, welche die CTU-Kriterien erfüllen, werden u.a. von den Begutachtungsstellen für Fahreignung angeboten.

Die Untersuchungsergebnisse des Drogenkontrollprogramms bzw. der Haaranalyse(n) werden in einer Bescheinigung (Zertifikat) festgehalten.

Wichtig: Bevor Sie ein EtG- oder Drogenkontrollprogramm in Auftrag geben oder eine Haarprobe abgeben, sollten Sie sich sicher sein, dass keinerlei Drogen oder deren Abbauprodukte mehr in Ihrem Urin bzw. in Ihren Haaren nachweisbar sind. Wenn Sie z.B. in der Vergangenheit Cannabis konsumiert haben, kann dies im für Sie ungünstigsten Fall bis zu 12 Wochen nachweisbar sein. Zwischen dem Ende des Drogenkontrollprogramms (Vertragsende) und der MPU sollten nicht mehr als 8 bis 10 Wochen vergehen, damit keine Nachweislücke entsteht! Vergehen mehr als 8 bis 10 Wochen, müssen Sie sich darauf einstellen, dass der MPU-Gutachter eine zusätzliche Haarprobe (auf Ihre Kosten) von Ihnen verlangt, damit die Nachweislücke geschlossen werden kann. Sind zum Zeitpunkt der MPU mehr als 4 Monate seit Ende des Drogenkontrollprogramms (Vertragsende bzw. Datum der letzten Haarprobe) vergangen, sind die erbrachten Abstinenznachweise bei der Begutachtung praktisch wertlos, wenn die Nachweislücke nicht geschlossen werden kann (z.B. durch eine Haarprobe).

Die Einnahme von Medikamenten, das Passivrauchen von Cannabis, der Konsum von Mohnprodukten und andere Faktoren können unter Umständen die Testergebnisse verfälschen! Aus diesem Grund werden Sie bei der Abgabe von Urin oder Haaren danach gefragt, ob Sie aktuell Medikamente einnehmen bzw. eingenommen haben. Weitere Informationen können Sie dem Beitrag "Abstinenznachweise bei der Drogen-MPU" entnehmen.



Literatur: Deutsche Gesellschaft für Verkehrspsychologie und Deutsche Gesellschaft für Verkehrsmedizin (Hrsg.); Urteilsbildung in der Fahreignungsbegutachtung. Beurteilungskriterien; 4. Auflage, Bonn 2022.

 

Fragen und Antworten zu Führerscheinentzug, MPU und Wiedererlangung der Fahrerlaubnis

Der Verlag für Rechtsjournalismus hat vor kurzem den Ratgeber-Artikel: https://www.bussgeldkatalog.org/mpu/ mit wichtigen und interessanten Fragen aktualisiert. Über diesen Link können Sie zu vielen relevanten Fragen, welche die MPU und damit zusammenhängende Themen betreffen, eine seriöse und zuverlässige Antwort finden!