Cannabiskonsum
und Kraftfahreignung
Robert Bischoff
Schätzungen gehen
davon aus, dass zwischen 3 und 5 Millionen Menschen in Deutschland
Cannabisprodukte – in Form von Haschisch (Blütenharz) und
Marihuana (Blätter und Blüten) – konsumieren. Neben Alkohol und
Medikamenten ist Cannabis die am meisten gebrauchte Droge in
Deutschland.
Trotzdem ist
Cannabis nach dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG) immer noch verboten.
Einen Ausnahmetatbestand stellt die inzwischen legale medizinische
Verschreibung dar. Seit dem sogenannten „Haschisch-Urteil“ des
Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1994 ist eine vorsichtige
Liberalisierung in Deutschland zu verzeichnen. In Bezug auf die
„Ersttäter“ kann bei Besitz
und Erwerb
von „geringen Mengen zum Eigenkonsum“ (in den verschiedenen
Bundesländern unterschiedlich geregelt - in Baden-Württemberg bis
maximal 6 Gramm) von der
Strafverfolgung abgesehen werden. Von der Justiz hat der „gewöhnliche
Kiffer“ deshalb heute nicht mehr allzu viel zu befürchten. Umso
mehr fürchtet der Cannabiskonsument aber die Führerscheinstellen,
denn Fälle von Cannabisbesitz werden (auch wenn es sich um „geringe
Mengen“ handelt) obligatorisch von der Polizei an die
Führerscheinstellen der örtlichen Straßenverkehrsämter gemeldet.
Diese wiederum leiten bei Cannabisbesitz (häufig auch dann, wenn
nicht unter Drogeneinfluss gefahren wurde) ein
„Fahreignungsüberprüfungsverfahren“ ein, das in zahllosen
Fällen mit dem Entzug des Führerscheins endet (womit nicht selten
auch der Verlust des Arbeitsplatzes verbunden ist).
Das
Fahreignungsüberprüfungsverfahren
kann Urinkontrollen und/oder ein ärztliches Gutachten bzw. eine
Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU) beinhalten. Gegen die
Anordnung von Urinkontrollen oder einer Fahreignungsbegutachtung kann
der Betroffene keine Rechtsmittel einlegen, da die Anordnung der
Begutachtung juristisch keinen „selbständigen Verwaltungsakt“
darstellt. Verweigert ein auffällig gewordener Kraftfahrer die
Begutachtung, so wird ihm der Führerschein entzogen. Erst wenn die
Führerscheinstelle die Fahrerlaubnis aufgrund einer verweigerten
oder negativen Begutachtung entzogen hat, kann die Entziehung der
Fahrerlaubnis durch Widerspruch (bzw. Klage vor dem
Verwaltungsgericht) angefochten werden. Allerdings haben Rechtsmittel
in diesem Fall keine aufschiebende Wirkung. Noch wichtiger als der
Weg zum Anwalt ist deshalb in den meisten Fällen die Inanspruchnahme
von verkehrstherapeutischer Hilfe (z.B. die Beratung bei einer
Drogenberatungsstelle oder durch einen Verkehrspsychologen).
In
deutlicher Abgrenzung zur damals vorherrschenden Praxis der
Straßenverkehrsämter hat das Bundesverfassungsgericht 2002 klar
gestellt, dass der
einmalige oder nur gelegentliche Konsum oder Besitz von Cannabis ohne
Bezug zum Straßenverkehr für
sich genommen kein hinreichendes Verdachtsmoment darstellt, um ein
Fahreignungsüberprüfungsverfahren einzuleiten. Die Anordnung einer
Fahreignungsbegutachtung oder von Urinkontrollen ist nur dann
rechtmäßig, wenn unter Drogeneinfluss gefahren wurde oder Hinweise
auf einen regelmäßigen
Cannabiskonsum vorliegen. In diesen Fällen müssen
Cannabiskonsumenten nach wie vor mit dem Entzug der Fahrerlaubnis
rechnen. Die Straßenverkehrsämter gehen ab einem Wert von 1,0
Nanogramm THC (pro Milliliter Blutserum) von „Fahren unter
Drogeneinfluss“ aus.
Rechtsgrundlage
für die Erteilung und Entziehung der Fahrerlaubnis ist die
Fahrerlaubnisverordnung (FeV).
Fachliche
Grundlage der Fahreignungsbegutachtung (MPU und ärztliches
Gutachten), d.h. der Tätigkeit der amtlich anerkannten
Begutachtungsstellen für Fahreignung, sind die „Leitlinien
für die
Begutachtung
wegen Drogen- und Medikamentenkonsums“ (Bestandteil der
Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahreignung) der
Bundesanstalt für Straßenwesen sowie die „Beurteilungskriterien“
(Urteilsbildung in der Fahreignungsbegutachtung). Weitere
Einzelheiten ergeben sich aus der geltenden Rechtsprechung sowie der
– mitunter differierenden – Verwaltungspraxis der
Straßenverkehrsämter.
In
den Begutachtungs-Leitlinien heißt es zur Kraftfahreignung von
Cannabiskonsumenten:
„Wer
gelegentlich Cannabis konsumiert, ist in der Lage, den gestellten
Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen beider Gruppen gerecht
zu werden, wenn er Konsum und Fahren trennen kann, wenn kein
zusätzlicher Gebrauch von Alkohol oder anderen psychoaktiv wirkenden
Stoffen und wenn keine Störung der Persönlichkeit und kein
Kontrollverlust vorliegen.“ (Begutachtungs-Leitlinien zur
Kraftfahrereignung, zitiert nach Schubert et al. 2005, Seite 168)
Fazit
Bei
einmaligem oder gelegentlichem Konsum von Cannabis ohne Bezug zum
Straßenverkehr ist die Fahreignung grundsätzlich gegeben, wenn
nicht weitere Eignungszweifel hinzukommen.
Da
Cannabis wesentlich länger in Urin und Blut nachgewiesen werden kann
als es wirkt (fehlende Identität von Wirkungs- und Nachweiszeit),
ist jedoch unklar, wie man sich eine konsequente Trennung von
gelegentlichem Konsum und Verkehrsteilnahme in der Praxis konkret
vorzustellen hat.
Der
regelmäßige Konsum von Cannabis schließt die Fahreignung (auch
ohne Verkehrsbezug) aus. Anhand des THC-Abbauproduktes THC-COOH lässt
sich nach Auffassung der Straßenverkehrsämter feststellen, ob ein
gelegentlicher oder ein regelmäßiger Konsum vorliegt: Die
Straßenverkehrsämter gehen in der Regel ab einer Konzentration von
75 Nanogramm THC-COOH (pro Milliliter Blutserum) von einem
regelmäßigen Cannabiskonsum aus.
Der
bloße Konsum oder Besitz (einmalig oder gelegentlich) von geringen
Mengen Cannabis (ohne Verkehrsbezug) reicht nicht aus, um die
Einleitung eines Fahreignungsüberprüfungsverfahrens zu
rechtfertigen. Im Falle des „Fahrens unter Drogeneinfluss“ ist
jedoch grundsätzlich mit der Anordnung einer MPU durch die
Führerscheinstelle zu rechnen.
Literatur
Bundesanstalt
für Straßenwesen (Hrsg.), Begutachtungs-Leitlinien zur
Kraftfahreignung; Reihe „Mensch und Sicherheit“, Heft M 115;
Bergisch Gladbach 2014.
Deutsche
Gesellschaft für Verkehrspsychologie und Deutsche Gesellschaft für
Verkehrsmedizin (Hrsg.); Urteilsbildung in der
Fahreignungsbegutachtung. Beurteilungskriterien; 3. Auflage, Bonn
2013.
Schubert,
Wolfgang; Schneider, Walter; Eisenmenger, Wolfgang; Stephan, Egon;
Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahrereignung. Kommentar; 2.
Auflage, Bonn 2005.