Substitution
und Führerschein
Vorbemerkung:
Bei dem nachstehenden Beitrag handelt es sich um einen überarbeiteten
Auszug aus „Führerschein (fast) weg? MPU-Ratgeber: Drogen“ von
Robert Bischoff, 4. Auflage, Lörrach 2015.
Die ärztliche
Behandlung mit Ersatzdrogen (Substitution) schließt nicht
grundsätzlich die Fahreignung aus:
„Die
Behandlung eines Bewerbers mit Methadon (Polamidon) schließt nicht
ohne weiteres die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen aus. Die
nachgewiesene Freiheit vom Beikonsum anderer psychotroper Substanzen
kann eine positive Beurteilung erlauben (OVG Hamburg, Beschl. vom
6.12.1996 — OVG Bs VI 214/96, DAR 1997, 162).“ (Kirchner 2002,
117)
Das vorstehende
Zitat bezieht sich natürlich auch auf die Substitution mit
Buprenorphin (Subutex/Suboxone).
Ist bei der
Führerscheinstelle aktenkundig, dass Sie Substitutionsmittel
einnehmen, müssen Sie jedoch auf jeden Fall mit der Anordnung einer
MPU rechnen.
Angesichts der
strengen Maßstäbe, welche die Gutachter an Substituierte anlegen,
ist eine positive Beurteilung im Rahmen der MPU in den meisten Fällen
allerdings eher unwahrscheinlich:
„Bei
i.v.-Drogenabhängigen kann unter bestimmten Umständen eine
Substitutionsbehandlung mit Methadon indiziert sein. Wer als
Heroinabhängiger mit Methadon substituiert wird, ist im Hinblick auf
eine hinreichend beständige Anpassungs- und Leistungsfähigkeit in
der Regel nicht geeignet, ein Kraftfahrzeug zu führen. Nur in
seltenen Ausnahmefällen ist eine positive Beurteilung möglich, wenn
besondere Umstände dies im Einzelfall rechtfertigen. Hierzu gehören
u.a. eine mehr als einjährige Methadonsubstitution,
eine psychosoziale stabile Integration, die Freiheit von
Beigebrauch anderer psychoaktiver Substanzen, incl. Alkohol, seit
mindestens einem Jahr, nachgewiesen durch geeignete, regelmäßige,
zufällige Kontrollen (z.B. Urin, Haar) während der Therapie
(gemeint ist die Substitutionsbehandlung — Anmerkung von Robert
Bischoff), der Nachweis für Eigenverantwortung und
Therapie-Compliance sowie das Fehlen einer Störung der
Gesamtpersönlichkeit.“ (Begutachtungs-Leitlinien zur
Kraftfahrereignung, zitiert nach Schubert et al. 2005, 168)
Ist der Konsum
von Substitutionsmitteln aktenkundig, wird die zuständige
Führerscheinstelle eine MPU veranlassen, um abzuklären, ob die
Fahreignung im Einzelfall möglicherweise doch gegeben ist. Das
vorstehend angeführte Zitat aus den Begutachtungs-Leitlinien macht
jedoch deutlich, dass die Gutachter an Substituierte sehr hohe
Anforderungen stellen, die schon allein aus praktischen Gründen nur
sehr schwer zu erfüllen sind. Deshalb ist auch nur in seltenen
Ausnahmefällen mit einem für die Betroffenen positiven
medizinisch-psychologischen Gutachten zu rechnen.
Die geforderte
„Freiheit von Beigebrauch anderer psychoaktiver Substanzen“
bezieht sich in diesem Zusammenhang auch auf den Cannabis- und
Alkoholgebrauch, der jedoch von den substituierenden Ärzten häufig
nicht als „Beigebrauch“ gewertet und deshalb nicht dokumentiert
wird. Wenn Sie sich als Substituierter einer MPU unterziehen wollen
bzw. müssen, sollten Sie parallel zur Substitution an einem
Drogenkontrollprogramm teilnehmen, da die Urinkontrollen der
substituierenden Ärzte meistens nicht den Chemisch-Toxikologischen
Untersuchungskriterien entsprechen. Im Rahmen des einjährigen
Drogenkontrollprogramms (siehe Anmerkung 1) muss bei Substitution
neben den gängigen Substanzen auf weitere Opioide (Buprenorphin,
Tramadol, Tilidin u.a.) getestet werden.
Bei
Methadon-Substitution sollte die Dosis 60 mg Methadon pro Tag nicht
überschreiten (vgl. DGVP und DGVM 2013, 176). Für Buprenorphin
(Subutex und Suboxone) wurde bislang keine Höchstdosis festgelegt.
Außerdem
sollten Sie Ihre Alkoholabstinenz durch die Teilnahme an einem
EtG-Kontrollprogramm dokumentieren. EtG- und Drogenkontrollprogramm
können auch miteinander kombiniert werden. Darüber hinaus ist es
dringend erforderlich, bei der MPU einen schriftlichen Nachweis über
die Teilnahme an psychosozialen Begleitmaßnahmen (Beratung bei der
Drogenberatungsstelle oder Psychotherapie) vorzulegen. Auch
Bescheinigungen z.B. von Arbeitgebern oder (ehemaligen)
Bewährungshelfern, die eine soziale Reintegration belegen, können
hilfreich sein.
Nach den neuen
Beurteilungskriterien (3. Auflage 2013) kann der MPU-Gutachter eine
Nachuntersuchung (erneute MPU nach ein oder zwei Jahren) oder eine
„weitere Verlaufskontrolle“ (z.B. halbjährliche Bescheinigungen
des behandelnden Arztes oder weitere Abstinenznachweise zur Vorlage
bei der Führerscheinstelle) empfehlen (vgl. DGVP und DGVM 2013,
178). Diese neue Regelung birgt für Substituierte das Risiko in
sich, dass die „Substitutions-MPU“ zur kostspieligen und
nervenaufreibenden „Dauerüberprüfung“ wird!
Anmerkungen:
- Drogenkontrollprogramm: Ein Drogenkontrollprogramm mittels Urinkontrollen wird bei der MPU nur dann anerkannt, wenn die Chemisch-Toxikologischen Untersuchungskriterien (CTU-Kriterien) erfüllt sind, die einen wichtigen Bestandteil der Beurteilungskriterien der MPU-Gutachter darstellen (siehe DGVP und DGVM 2013):
- Es erfolgt eine kurzfristige und unvorhersehbare Einbestellung (am Tag vor der Urinkontrolle)
- Die Abgabe des Urins erfolgt unter Aufsicht (Sichtkontrolle)
- Die Identität der zu testenden Person wird geprüft (Personalausweis).
- Es erfolgt eine quantitative Analyse über das „gesamte“ Drogenspektrum (Cannabinoide, Opiate, Methadon, Amphetamine incl. Ecstasy, Kokain, Benzodiazepine).
- Die Untersuchung der Probe findet in einem für forensische Zwecke akkreditierten Labor statt.
- Das Labor muss sich an den verbindlichen Schwellenwerten orientieren.
- Der Kontrollzeitraum ist von vornherein definiert und umfasst bei Substituierten 6 Urinkontrollen in 12 Monaten. Alternativ sind auch zwei Haarproben (a 6 cm Länge) möglich.
Leider
entsprechen die Urinkontrollen der substituierenden Ärzte meistens
nicht den CTU-Kriterien.
- EtG-Kontrollprogramm: Ethylglucuronid (EtG) ist ein Stoffwechselprodukt, das beim Alkoholabbau im menschlichen Körper entsteht. Das EtG-Kontrollprogramm funktioniert wie ein Drogenkontrollprogramm (siehe oben) und eignet sich als Abstinenznachweis in Bezug auf Alkohol. Auch ein EtG-Kontrollprogramm muss die CTU-Kriterien (siehe Anmerkung 1) erfüllen.
Literatur:
Bundesanstalt
für Straßenwesen (Hrsg.), Begutachtungs-Leitlinien zur
Kraftfahreignung; Reihe „Mensch und Sicherheit“, Heft M 115;
Bergisch Gladbach 2014.
Deutsche
Gesellschaft für Verkehrspsychologie und Deutsche Gesellschaft für
Verkehrsmedizin (Hrsg.); Urteilsbildung in der
Fahreignungsbegutachtung. Beurteilungskriterien; 3. Auflage, Bonn
2013.
Kirchner,
Hermann; Die neue Fahrerlaubnisverordnung; Gesetzestext mit
Kommentar; Neuwied, Kriftel 2002.
Schubert,
Wolfgang; Schneider, Walter; Eisenmenger, Wolfgang; Stephan, Egon;
Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahrereignung. Kommentar; 2.
Auflage, Bonn 2005.
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